Persönliches I - UBUNTU
Alexandra Brand • 1. März 2019
Persönliches I - UBUNTU, ich bin weil wir sind!
“Ubuntu - das bedeutet so viel wie Menschlichkeit. Insbesondere meint Ubuntu, dass der Mensch nicht in Isolation leben kann. In dem Wort steckt etwas von Vernetzung. Als Mensch kann man nicht nur für sich leben. Und wenn man diese Gabe, nämlich Ubuntu hat, dann ist man bekannt für seine Großzügigkeit. Viel zu oft sehen wir uns nur als Individuen, die getrennt voneinander leben. Dabei sind wir alle verbunden und was ein Einzelner tut, betrifft die ganze Welt. Wenn man seine Sache gut macht, dann
breitet sich das auf die gesamte Menschheit aus.” (Erzbischof Desmond Tutu)
breitet sich das auf die gesamte Menschheit aus.” (Erzbischof Desmond Tutu)
Manches Mal scheint ein Thema gerade sehr präsent zu sein in mir, und dann ist es häufig auch so, dass mir auf allen möglichen Ebenen und Kanälen genau dieses Thema begegnet bzw. von Menschen, die mich umgeben, angesprochen wird: Schwarze / weisse Hautfarbe, Rassismus, Klassentrennung,... ich könnte noch viele Wörter finden.
Heute morgen habe ich das Video von Eddie Harrel gesehen und war sehr berührt, ob der Art wie diese kamerunische schöne junge Mutter Ihre Erlebnisse offen schildert und was sie persönlich daraus macht. Unser Sohn ist vor zwei Tagen nach Hause gekommen und war wieder ganz betroffen, dass ein paar Kinder Menschen mit dunkler Hautfarbe „N…r“ nennen. Er ist 11 Jahre und als Halbbruder einer halb-afrikanischen Schwester entsprechend sehr empfindlich im Umgang mit diesem Thema. Er versteht nicht, warum manche Menschen diese Wörter benutzen, obwohl doch bekannt ist, dass es Schimpfwörter sind. Ich sage ihm jedes Mal, dass er nicht aufhören soll, es seinen Freunden liebevoll zu erklären, dass dies kein schönes Wort ist, oder keine schöne Weise über anders aussehende Menschen zu sprechen.
Ich weiß nicht, wie oft ich mich in Diskussionen begeben habe, weil in meinem Beisein jemand das N-Wort benutzt hat. Anfangs bin ich wirklich hoch gegangen wie eine Rakete. Ich war fast 7 Jahre mit einem Mann aus der Elfenbeinküste verheiratet und habe eine wundervolle Tochter aus dieser Ehe. Es hat lange gedauert, bis ich die Erlebnisse als weisse Frau eines afrikanischen Mannes in Deutschland verarbeiten konnte.
Ich bin in diese Beziehung völlig naiv hineingegangen. Bin ich doch in einer Familie aufgewachsen, in der alle Nationen gleich willkommen sind. Ich werde es nie vergessen, als mein Onkel sich beim zweiten Treffen mit meinem damaligen afrikanischen Freund sich vorstellte und dieser zu meinem Onkel sagte, dass sie sich doch schon gesehen hatten. Diese tiefe Dankbarkeit, die ich in diesem Moment gespürt hatte, weil für meine Familie alle Menschen gleich sind und dies schon immer gelebt wurde... mein Onkel hat einen Lachkrampf bekommen, sich auf die Stirn geschlagen und gesagt, dass es ja eigentlich auch noch nicht vorkam, dass seine Nichte einen schwarzen Mann mitgebracht hatte, und er sich ja eigentlich daran erinnern sollte. Was für eine Leichtigkeit in diesem Moment steckt... ich werde es nie vergessen.. und danke meiner gesamten ganzen Familie dafür, welche Werte sie mir in dieser Hinsicht vorgelebt haben.
Als Freundin und später Ehefrau eines afrikanischen Mannes musste ich einiges erleben und das hat mich oft hart getroffen. Während Freddie Harrel im Video davon spricht, dass sie als Schwarze es ja nur zu was bringt wegen ihres weissen Mannes, musste ich ständig erklären, dass es mir nichts ausmacht, mehr zu verdienen. Ich habe mich damals oft gefragt, ob diese Menschen mir dieselben Fragen gestellt hätten, wäre ich mit einem weissen Mann verheiratet gewesen, der weniger verdient oder noch studiert oder oder oder...
Ich vergesse nie, als ich eine 2jährige Nichte in der Elfenbeinküste auf den Arm nehmen wollte und diese mit panischer Angst losschrie, weil sie noch nie einen weissen Menschen vorher gesehen hatte. Sie hatte solche Angst vor mir und meiner Haut... nach zwei Tagen konnte sie sich ein wenig annähern und gewann Vertrauen zu mir. Dort war ich die „Andersfarbige“ gewesen – ein prägendes Erlebnis, dass ich jedem wünsche, zum Wohle der Gemeinschaft, der Verbundenheit und des Miteinanders auf diesem Planeten Erde.
Mein Vater hat auf unserer Hochzeitsfeier heimlich alle Menschen gefragt, aus welchem Land sie stammen und in seiner Rede offenbart, dass sich in diesem Raum 21 Nationalitäten befinden – da war es ganz still im Raum für einen Moment, weil eine große gegenseitige Wertschätzung darin lag.
Als alleinerziehende Mutter, die ich dann war, hörte ich dann oft die Bemerkung, dass das ja klar gewesen wäre, dass das nicht halten konnte... ob das auch so selbstverständlich und schnell gesagt wird, wenn sich zwei Weisse trennen? Oder zwei Schwarze?
Christina Brudereck war bei uns letztes Jahr in der Gemeinde in Dietzenbach und hat aus ihrem Buch Café Mandelplatz gelesen – ein fantastisches Buch! – der große Südafrikaroman hat mich wieder zu unsere Südafrikareise mit 3 von 4 Kindern erinnert. Der Aha-Effekt unserer Kinder, dass unsere Geschäftspartner dort vor Ort Weisse sind und nicht Schwarze, war wie ein Schock. Wir dachten, dass wir das schon des Öfteren erwähnt und besprochen hatten gegenüber unseren Kindern, dass viele afrikanische Bürger in Südafrika auch weiss sind, so auch unsere Partner. Es kam erst bei Ankunft in Johannesburg in der Tiefe als Erkenntnis bei Ihnen an.
Viele Gespräche führten wir während dieser Reise... Schwarze, die bedienten im Haus, in Cafés, Hotels, in Restaurants ... Weisse, die in höheren Positionen arbeiteten - gefühlt nie Schwarze an solchen Positionen zu sehen waren. Unsere Kinder haben die immer noch präsente Schieflage gespürt und gesehen. Ich, als ehemalige Frau von einem afrikanischen Mann mit einem halb-afrikanischen Kind, mir ging es nicht gut, ich hatte eine große Traurigkeit und Anspannung in mir während der gesamten Reise. Ich konnte es z.B. nicht ertragen, wenn die weissen Kinder ihren Frühstückstisch komplett verwüstet hinterlassen haben und die schwarzen jungen Bediensteten alles aufräumen mussten. Unsere Kinder waren aufgefordert alles liegen zu lassen, was sie nicht taten und auch nicht konnten. In Kapstadt hatte es sich gebessert, hier war alles gemischter, durchgewürfelt und das miteinander auf Augenhöhe präsenter.
Ich nenne mich manchmal Weissbrot, den Papa von meiner Tochter Schwarzbrot und sie ist das Mischbrot. Manches Mal haben wir so eine Leichtigkeit mit dem Thema. So laufen wir durch die Strassen und meine Tochter läuft vorne weg und meint nur, dass es ihr egal sei, wenn wir (5 weisse Patchworkfamilienmitglieder) peinlich sind, denn sie ist schwarz und läuft dann einfach vorne weg und sagt, dass sie nicht zu uns gehöre... Das war ein toller Moment für mich.
UBUNTU sage ich und Danke

